PRO Flexconvert: Herr Aalto, bei Matthews bekleiden Sie eine ganze Reihe an wichtigen Funktionen. Können Sie uns eingangs einen kleinen Überblick geben?
Esa-Matti Aalto: Ich bin Senior Vice President bei Matthews International. Als Geschäftsführer repräsentiere ich die für die Converting-Industrie relevanten Marken Olbrich, Saueressig und Polytype Converting. Ich bin seit 2008 im Verbund der Unternehmen beschäftigt und seit 2003 im Bereich Anlagen- und Maschinenbau tätig. Aufgrund meiner finnischen Herkunft hatte ich schon seit Beginn meines Studiums eine Affinität zur Papier- und Zellstoffindustrie entwickelt. Seitdem hatte ich immer Berührungspunkte mit Papier, Veredelung und Converting – insgesamt einfach ein sehr spannender Bereich!
PRO Flexconvert: Welche Trends beobachten Sie momentan in der Converting-Industrie – und welche Schwerpunkte ergeben sich daraus für Ihre tägliche Arbeit?
E.-M. Aalto: Ein Megatrend ist ganz klar die Nachhaltigkeit, die sich mittlerweile durch alle Industrien und Gesellschaftsschichten zieht. Diesem Thema werden wir gerecht, indem wir diverse Applikationen und Projekte in der Industrie realisieren. Dazu später mehr. Ein weiteres großes Thema ist für uns die Digitalisierung. In vielen Branchen hat sie bereits für Disruptionen gesorgt – und die Converting-Industrie wird hier keine Ausnahme sein! Wir sehen uns bei Matthews insgesamt sehr gut aufgestellt, weil wir nicht nur Beschichtungs-, Druck-, oder Prägeanlagen anbieten, sondern
darüber hinaus auch Kodierungs- und Markierungssysteme, Lösungen zur Warenhaus-Automatisierung und auch Robotik. All diese Dinge erhalten
unsere Kunden aus einer Hand – und wir stehen ihnen zukunftsweisend und nachhaltig zur Seite, gerade in unseren wirklich herausfordernden Zeiten.
PRO Flexconvert: Sprechen wir über aktuelle Innovationen. Welche Neuheiten möchten Sie hervorheben?
E.-M. Aalto: Ein Schwerpunkt unserer Innovationen für die Converting-Branche liegt in der Kalandertechnik. Wir haben als gemeinsames Projekt von Olbrich und Saueressig eine wirklich bahnbrechende Technologie für die Kalandrierung hochviskoser Klebstoffe entwickelt, die dem Kunden sehr viele Vorteile bietet. Es war bisher nicht möglich, diese Klebstoffe über Düsen-Technologien oder bewährte Walzen-Auftragsverfahren
zu applizieren. Erst durch die Kalandertechnologie, die wir anbieten, können wir diese Klebstoffe lösemittelfrei beschichten. Das bedeutet, dass der gesamte nachfolgende Prozess (z.B. die Trocknung) entfällt.
Eine weitere Innovation haben wir gemeinsam mit BASF umgesetzt: Unser Druckkammerrakelsystem PGS wurde dahingehend weiterentwickelt, dass die Beschichtungsgenauigkeit mittlerweile qualitativ sehr nah an die Düsentechnologie herankommt. Wir haben kaum noch Verteilungsdifferenzen über die Arbeitsbreite und applizieren nur noch das, was gebraucht wird. Im klassischen Druckverfahren (Gravur) entstehen durch die Rasterwalze naturgemäß immer Schwankungen. Normalerweise sprechen wir hier von ca. 5-8 %. Bei PGS sind nur noch 1 % Schwankungen zu erwarten. Über das Jahr hinweg ergibt sich daraus ein riesiger Kosten- und Qualitätsvorteil für unsere Kunden! Dadurch, dass nur appliziert wird, was in die Kammer gefördert wurde, ergibt sich für den Kunden außerdem der enorme Benefit, dass er keinen Rücklauf mehr braucht. Im Vergleich zu aktuellen Systemen, bei denen man bis zu 250 % der Beschichtungsmasse im Rücklauf fahren muss, damit man überhaupt schaumfrei applizieren kann, braucht man mit unserer Lösung keine Masseaufbereitungssysteme, keine Pumpen, keine Behälter, in denen man den Klebstoff oder Lack zur Ruhe kommen lassen muss. Es bleiben lediglich die Förderpumpe und die Applikation selbst – ein enormer Kostenvorteil im fast siebenstelligen Bereich für einen unserer Referenzkunden!
PRO Flexconvert: Haben Sie für uns ein Beispiel für ein aktuelles Leuchtturmprojekt mit Beteiligung von Matthews?
E.-M. Aalto: Im Bereich Dekor haben wir mit der Firma SURTECO zusammen ein wirklich innovatives Verfahren auf den Weg gebracht, in dem Elektronenstrahlen miteinander vernetzt werden. Die in das Dekorpapier geprägten Strukturen und der Druck an sich sind dabei sehr natürlich. Es entsteht eine echte Holzoptik, die zusätzlich auch haptisch sehr nah am Naturprodukt ist. Dank der Elektronenstrahlvernetzung ist keine Trocknung im klassischen Sinne erforderlich – und es kann mit wesentlich weniger Energieaufwand ressourcenschonender produziert werden.
PRO Flexconvert: Im vergangenen September waren wir zu Besuch beim Barrier Day von Polytype Converting in Fribourg. Mit einigen Monaten Abstand – welche Bilanz ziehen Sie nach dieser Veranstaltung?
E.-M. Aalto: Das Feedback aus der Industrie war hervorragend! Die Kunden, die vor Ort waren, hatten ein vitales Interesse daran, das Thema Barrierebeschichtung auf Papier weiter voranzutreiben. Seitdem verzeichnen wir eine wesentlich höhere Nachfrage nach Entwicklungen in diesem Bereich, aber auch nach Lösungen zur Umsetzung in der industriellen Realität. Deshalb werden wir dieses Format in Zukunft sicherlich wiederholen! Dann wollen wir uns auch nicht nur an die Papierindustrie wenden, sondern auch die Brand-Owner involvieren – und die großen Verpackungsgiganten, die gerne mitwirken möchten. Ich betrachte diese Technologie als Megatrend der nächsten 10-20 Jahre und rechne mit weiteren, bahnbrechenden Erfindungen. Allerdings denke ich nicht, dass Papier den Kunststoff ablösen wird. Es wird stattdessen eine gesunde Koexistenz geben, in deren Rahmen beide Werkstoffe einen guten Platz finden werden – sowohl in der Industrie, aber auch in den Konsumgütern an sich.
PRO Flexconvert: Daran anknüpfend gibt es auch Neuigkeiten beim Thema Multilayer Coating – in Kooperation mit Mitsui ...
E.-M. Aalto: Genau. Wir applizieren mehrere Schichten gleichzeitig, anstatt das Produkt innerhalb der Produktion mehrfach durch die Maschine laufen zu lassen – oder eine Anlage mit drei oder vier aufeinanderfolgenden Beschichtungsstationen bauen zu müssen. Wir können Substrate in einem Arbeitsschritt mit verschiedenen Barrieren beschichten – etwa Sauerstoff- und Feuchtigkeitsbarrieren, aber auch Schutzlacke und Primer für die Weiterbedruckung. Viele Player haben sich an diesem Prozess versucht – wir haben gemeinsam mit Mitsui eine industriell umsetzbare Lösung gefunden, die auch nachgefragt wird.
PRO Flexconvert: Wir sehen uns schon sehr bald auf der ICE Europe. Matthews will dort die Digitalisierung erlebbar machen. Was können wir uns darunter vorstellen?
E.-M. Aalto: In unserem Team haben wir VR-Lösungen entwickelt, die es unseren Kunden ermöglichen sollen, bei ausgewählten Maschinenkonzepten wirklich in die Maschine hineingehen zu können. Es reicht nicht, sich nur die Maschine anzuschauen – sie kann auch zum Laufen gebracht werden, um etwa Splice-Prozesse virtuell darstellen zu können. So bekommt der Kunde einen wesentlich besseren Eindruck davon, welche Elemente er an welcher Stelle haben möchte. Noch vor der Kaufentscheidung kann er sich ein wesentlich besseres Bild vom gesamten Maschinenkonzept machen. Zusätzlich können Wartung und Instandhaltung künftig virtuell miteinander vernetzt werden – für schnellere Eingriffe und einen besseren Service. Außerdem werden wir auf der ICE einen Konfigurator haben, den man sich vielleicht wie ein virtuelles Möbelstudio vorstellen kann – zur Konfiguration der gewünschten Maschine. Zunächst ist dies mit einem Laborkalander möglich – weitere Modelle werden folgen.
Dieses Interview erschien in der PRO Flexconvert. Magazin für Converting Professionals, Ausgabe 6, 2025.