Quellenangabe: Deutscher Fachverlag GmbH / C2 Coating & Converting
C2: Herr Aalto, Herr Döing, im Sommer erreichte uns die Nachricht, dass die Borgers-Gruppe ihre Maschinenbau-Sparte an Matthews International verkauft hat.
Esa-Matti Aalto: Der eigentliche Prozess für den Verkauf der Unternehmensgruppe wurde Anfang des Jahres gestartet und konnte jetzt mit großem Erfolg – und für uns auch mit großer Erleichterung – abgeschlossen werden. Die Borgers-Gruppe ist in Folge ihrer Restrukturierung in der Hand von mehreren Konsortialbanken und will sich künftig auf den Automotive-Bereich konzentrieren. Als Maschinenbausparte gab es für uns in diesem von Automotive geprägten Umfeld keine langfristigen Perspektiven mehr. Im vergangenen Dreivierteljahr sind wir mit vielen Unternehmen in Kontakt getreten, die sehr großes Interesse an uns hatten. Mit Matthews und der Saueressig-Gruppe haben wir jetzt einen sehr starken Partner gefunden – einen Konzern, der unsere Sprache spricht und unsere Mentalität teilt! Saueressig versteht den Maschinenbau und kommt aus derselben Region wie das Olbrich Mutterhaus. Gerade einmal 30 km liegen zwischen uns Bocholt und Vreden, was bei der Zusammenführung von Unternehmen ein riesiges Asset darstellt.
C2: Wie war das Verhältnis von Olbrich und Saueressig vor dem Merger? Sie kannten sich sehr gut, richtig?
Josef Döing: Wir kannten uns in der Tat bereits sehr gut: Saueressig und ihre Tochtergesellschaften haben traditionell die (Prozess-) Walzen geliefert, die in unseren Anlagen eingebaut wurden. Das heißt, dass wir hier auf jahrzehntelange Geschäftsbeziehungen aufbauen. Außerdem war Saueressig auch nur in einem sehr begrenzten Maße mit uns im Wettbewerb gestanden. Neben unserer Kernkompetenz in der Beschichtungs- und Trocknungstechnik bieten wir auch verschiedene Kalandrier- und Prägeverfahren; dies ist wohl die einzige direkte Überschneidung mit dem Saueressig-Portfolio.
E.-M. Aalto: Ergänzend dazu möchte ich darauf hinweisen, dass wir in der jüngsten Vergangenheit schon gemeinsame Kunden bedient haben. Bei diesen Projekten im Bereich der Neuen Energien stehen wir in der Prozesskette „hintereinander“, sodass hier fantastische Synergien entstanden sind. Ein wichtiger Beweggrund der Matthews Gruppe, sich für OLBRICH zu entscheiden, sind sicherlich unsere Aktivitäten im Segment für Batterien und Brennstoffzellen. Wir können dort Technologien anbieten, die sonst auf dem Markt noch nirgendwo verfügbar sind – echte Alleinstellungsmerkmale für unsere Unternehmensgruppe! Einerseits sind wir – Saueressig und Olbrich – Münsterländer, andererseits arbeiten wir jetzt in einem internationalen Konzern, der in den letzten 15 Jahren etwa 76 Akquisitionen getätigt hat. Wir erleben hier ein hochprofessionelles Umfeld, in dem wir jetzt noch strukturierter und mit einem starken Rückhalt agieren können. Auch unsere Standorte in Hamburg, in der Schweiz, in den USA und in China werden entsprechend professionell integriert und sind Teil des Gesamtpakets beim Merger.
C2: Nun hat sich die Olbrich Gruppe ja erst vor relativ kurzer Zeit mit dem Zugang von Polytype Converting verstärkt. Inwiefern bleiben die dabei etablierten Strukturen jetzt auch unter dem Dach von Matthews erhalten?
J. Döing: Wir haben gemeinsame Interessen – und wir werden unsere Kräfte bündeln. Dazu gehört auch, dass wir unsere bisherigen Aktivitäten weiterverfolgen. Wir werden nirgendwo komplett aus Geschäftsbereichen herausgehen, aber wir entwickeln zurzeit eine neue Strategie, nach der wir uns entsprechend neu ausrichten werden. Insbesondere im Bereich Neue Energien – Batterien, Brennstoffzellen – wird es eine intensive Zusammenarbeit geben, mit den damit sicherlich einhergehenden organisatorischen Veränderungen. Diese neue Strategie kommt eindeutig unseren Kunden zugute und soll auch unsere interne Effizienz steigern.
E.-M. Aalto: Mit dieser neuen Strategie, die in den ersten 30 Tagen festgelegt werden soll, werden wir unser Geschäft wie bisher fortführen, aber den Fokus verändern. Schon jetzt zeigt sich, dass dieser Fokus auf den Neuen Energien liegen wird. Beim bisherigen Kerngeschäft werden wir gezielt auf die Märkte setzen, die in der Vergangenheit die stärksten waren. Mit dieser Festlegung schaffen wir die freien Kapazitäten für die Neuen Energien, die wir aktuell brauchen.
J. Döing: Die Eingliederung von Olbrich in die Matthews Group fällt zusammen mit großen Veränderungen in der Industrielandschaft und den geographischen Märkten: Olbrich war traditionell sehr stark in Osteuropa; wir stellen fest, dass dort auf absehbare Zeit mit großen Schwierigkeiten zu rechnen ist. Natürlich unterstützen wir weiterhin unsere Kunden, die dort aktiv sind – mitunter auch westeuropäische Investoren, die sich in Osteuropa engagieren, aber offensichtlich ist dabei mit massiven Schwierigkeiten zu rechnen, auf die wir nur sehr begrenzten Einfluss haben.
C2: Kann man also von einer Reorientierung in Richtung Westeuropa und USA sprechen?
J. Döing: Wir sind global und bleiben es. Wir würden nie sagen, dass wir uns lediglich auf nur eine Hemisphäre konzentrieren wollen. Wir wollen diese Chance, die die Energiewende mit sich bringt, unbedingt ergreifen. Die entsprechenden Investoren sind häufig in Europa und in den Vereinigten Staaten zu finden. Häufig sind die asiatischen Märkte mit einfacheren Maschinen gut bestückt. Bei den neuen Entwicklungen für komplexere Produkte sind wir dagegen voll dabei!
E.-M. Aalto: Wir sehen nach wie vor eine gute Auftragslage in Asien in den vergangenen Jahren. Es ist derzeit immer noch relativ schwierig, nach China zu reisen – auch wenn sich die Lage jetzt langsam bessert. Insbesondere aus China haben wir eine starke Nachfrage bei den Neuen Energien. Angesichts der neuen Energiegesetzgebung in den USA rechnen wir dort mit dem Aufbau eines entsprechend großen Footprints für unsere Neuen Energien. Auch Lateinamerika läuft für uns sehr gut. Der Fokus hat sich also insgesamt von Osteuropa eher in Richtung Amerika und Asien verlagert.
C2: In Deutschland startet die E-Mobilität jetzt erst so richtig durch …
J. Döing: Hier sehen wir eine Emanzipation von ostasiatischen Lieferketten, die immer mehr infrage gestellt werden. Man möchte eigenständig werden: Das betrifft alle OEMs, aber auch alle Supplier für die Elektromobilität im Besonderen. Man versucht, etwas Eigenes zu schaffen – ein wichtiger Zeitpunkt für uns, um vorne mit dabei zu sein.
C2: Sind die Neuen Energien auch für Matthews ein neues Segment?
J. Döing: Grundsätzlich ja, sie haben aber eine Marktführerschaft bei Kalandertechnologien für bestimmte Lithium-Ionen-Batterien. Hier befindet sich auch der Ansatzpunkt, an dem wir zusammenarbeiten.
E.-M. Aalto: Für alle Beteiligten eröffnen sich neue Spielräume und Märkte. Wir erweitern unser Portfolio und kurbeln zugleich unser Service-Geschäft weiter an. Dank der Standorte, die Matthews und Saueressig weltweit haben, können wir unsere Kunden nun wesentlich besser bedienen und sind näher an ihnen dran. Wir waren zwar schon immer nahe am Kunden, aber das deutlich größere Netzwerk ist ein wichtiger Baustein in unserer weiteren Entwicklung.
C2: Sie vertiefen jetzt sicherlich die Zusammenarbeit der bestehenden Teams in den Teilunternehmen?
E.-M. Aalto: Ja, damit haben wir bereits begonnen. Wir haben in allen Teilen der Unternehmensgruppe Teams gebildet, die jetzt schon aktiv an einer Integration arbeiten.
J. Döing: Ganz konkret unterstützen wir uns bereits gegenseitig bei der Abarbeitung der Aufträge, die wir jeweils vorliegen haben. Insbesondere, wenn es um Ressourcen geht, die sofort benötigt werden. Hier können wir uns schon jetzt gegenseitig den Rücken stärken.
E.-M. Aalto: Stichwort Fachkräftemangel: wir können jetzt unsere Ressourcen besser poolen und zum Wohle des Kunden ausrichten.
C2: Beim Service sind Sie offensichtlich schon sehr weit. Wie sieht es im wichtigen Bereich R&D und Engineering aus?
J. Döing: Wir haben es in der Batteriefertigung mit Prozessen zu tun, die sequentiell aufeinanderfolgen. Wir bei Olbrich beschäftigen uns mit dem Thema Batterie in einer Vorstufe des Produktes, bevor Matthews oder Saueressig das Produkt weiter verarbeiten. Natürlich gibt es hier eine Zusammenarbeit, aber die Anlagen funktionieren noch getrennt voneinander. Es ist derzeit noch kein gemeinschaftlicher Prozess, aber wir verfügen über ein hohes Maß an Erfahrung, das in den Kalandervorgang eingebracht werden kann.
E.-M. Aalto: Wir sehen schon jetzt eine ganze Reihe an Synergien, die wir im Laufe der Zeit weiter entwickeln werden. Im Bereich der Brennstoffzelle sind wir einzigartig aufgestellt: wir können die gesamte Prozesskette schon heute abbilden. Auch hier sehen wir sehr optimistisch in die Zukunft!
C2: Welche Themen stehen für Sie auf der bevorstehenden K 2022 im Vordergrund?
J. Döing: Ein hochaktuelles Thema wird die Umstellung der Beheizung unserer Anlagen von Gas auf Elektro sein. Natürlich wird man eine Olbrich- oder Polytype-Anlage nicht mit einer Batterie betreiben können – bei den Megawatt-Leistungen, die für die Beheizung großer Industrieanlagen einfach gefordert sind.
E.-M. Aalto: Eine wichtige Botschaft: Wir werden genauso eng an unseren traditionellen Kernmärkten und Kunden bleiben. Wir bleiben verlässlicher Partner der über 40 Branchen, die wir bedienen. Auch im derzeit schwierigen Markt Osteuropa garantieren wir unseren Kunden Betriebssicherheit und Service für ihre Investitionsgüter – so, wie es in unserer Macht steht.
C2: Kommen momentan auch Kunden aus Deutschland und Westeuropa auf Sie zu, die sich um die Versorgungssicherheit beim Gas sorgen?
J. Döing: Es wird darüber gesprochen, aber aufgrund der Materialengpässe, insbesondere bei den elektronischen Komponenten, geht eigentlich niemand davon aus, dass vor dem Winter noch irgendetwas geändert werden kann.
E.-M. Aalto: Wir stehen in einem engen Austausch – die Themen liegen auf der Hand. Wir haben Konzepte erarbeitet, bei denen konkret von Gas auf Elektro umgestellt werden soll. Wir werden auch Hybrid-Lösungen anbieten, bei denen man beispielsweise mit Biogas arbeiten kann. Auch das Thema Energieeffizienz rückt weiter in den Vordergrund – etwa durch Lösungen auf Basis von Künstlicher Intelligenz und smarter Automatisierung. Mit solchen Themen beschäftigen wir uns derzeit täglich – sie sind eine unserer wichtigsten Aufgaben über alle Branchen hinweg.